Storytelling tools: Helden im Social Web

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Storytelling und Social Media - wie geht das zusammen? Im letzten Beitrag habe ich die Charakteristiken der Heldenreise prägnant zusammengefasst. In diesem Beitrag geht es nun um ein anderes Storytelling-Element, das dir gerade bei der Entwicklung einer Social Media-Strategie behilflich sein kann: Es geht um den Einsatz von Charakteren.

Dazu muss ich ein wenig ausholen - deshalb ist dieser Blogpost aufgeteilt in drei Teile:

  1. Wieso gerade die Heldenreise und das Social Web sich so schwer miteinander tun, diskutiere ich in hier im ersten Teil.
  2. Im zweiten Teil widme ich mich dann den Charakteren und zeige, wieso sie ein alltags- und social-media-tauglicheres Konzept bieten.
  3. Der dritte Teil schließlich liefert dir eine Anleitung für dein eigenes Charakter-Bastel-Kit, mit dem du deine Social Media-Strategie überprüfen und präzisieren kannst.

Und damit geht es los...

Die Heldenreise goes to Web - und dann?

Im letzten Post hast du erfahren, dass der oder die Heldin die Hauptfigur ist und dass alle übrigen Figuren sich als Funktion von Held oder Heldin beschreiben lassen. Man benötigt also ein ganzes Figurenuniversum, um das Drama und Dilemma der Heldin zur Gänze auszuloten.

Zu Social Media passt das aber nur eingeschränkt: Schließlich entspricht jedes Profil einer Person bzw. einer 'Stimme' (etwa der eines Unternehmens oder einer Marke). Um die die gesamte Heldenreise umsetzten zu können müsste man schon eine ganze Armada kommunizierender Accounts betreiben.

Und in der Tat hat es ja immer wieder experimentelle Ansätze gegeben, genau das zu tun. Im Frühjahr 2010 stellte etwa die Royal Shakespeare Company eine Romeo & Juliet- Adaption für Twitter auf die Beine: Such Tweet Sorrow wurde in etwa 4000 Tweets und über fünf Wochen hinweg 'inszeniert'. Ob das Publikum auch so lang dran blieb ist freilich eine andere Frage...

Zweitverwertete Fiktionen

Kommunikation auf Social Media ist außerdem nur in Ausnahmefällen fiktional. Vielmehr soll sie ja gerade das Gegenteil sein: echt, authentisch und ein Abbild der Aktivitäten der Person (bzw. Stimme/Marke/Organisation). Natürlich kann man vereinzelt auch längere Erzählungen posten, etwa in Videoform. Der Klassiker sind hier TV-Werbefilme, die ihren Weg auch ins Web finden - wobei wir es hier mit einer zweitverwerteten Fiktion und keinem originär fürs Web produzierten Content zu tun haben.

Viel Zeit für die Plot-Entwicklung bleibt im Web nicht: In anderthalb Minuten eine runde Geschichte zu erzählen ist eine nicht geringe Aufgabe, die vor zwei Jahren z.B. im EDEKA-Spot "Heimkommen" auf tränendrüsendrückendste Weise gelang. Nicht wenigen war dies allerdings zu viel und vor allem verfehlter Pathos, als der Supermarkt so tief und emotional-erpresserisch in die Trickkiste griff...

Viel häufiger ist dagegen eine andere Form der narrativen Aufwandsminimierung, bei der sich in den letzten vierzig Jahrzehnten wenig geändert hat.

Mission weiße Wäsche - kann man das ernstnehmen?

Wir alle kennen noch gut das Narrativ der leicht zu beglückenden Hausfrau aus den Werbefilmchen der 70er und 80er Jahre (das als Zombie heute noch fortlebt): Mission jener Hausfrauen war es, Wäsche und Haushalt stets sauber und strahlend zu halten - Meister Propper und Clementine konnten da zu frenetisch gefeierten Rettern in der Not werden. Und wenn schon nichts zu gewinnen war, dann zumindest die Anerkennung des aushäusig arbeitenden Mannes.

Was diese Filmchen tun ist, das Problem der Heldinnen genau auf jenen Bereich einzuengen, bei dem das beworbene Produkt wirksam werden kann: Reiniger macht Schmutz weg, Reiniger macht Frauen glücklich. Dabei werden diese Probleme allerdings auch zu denen der Hauptfigur und damit wird klar, wieso Werbefilme so leicht  ins Pathos oder in die Lächerlichkeit abgleiten: eine Mücke wird zu einem Elefanten. Denn eigentlich haben Helden und Heldinnen einen Auftrag, der sich auf ihre ganze Person bezieht: Während sie etwa die Bösen der Welt abwatschen, wachsen sie innerlich. Während sie Entscheidungen zu treffen haben, müssen sie ihre inneren Wertekompass überdenken und sich weiterentwickeln. Den äußeren Taten entspricht zugleich eine innere Reise (wie bei der Heldenreise beschrieben) .

Wie aber wachsen die HeldInnen des Waschmittelgenres? Entweder gar nicht oder in Form eines reinen Lippenbekenntnisses, das man nicht ernst nehmen kann. Entsprechend unerträglich wäre es auch, würden auf einmal jene Hausfrauenfiguren aus den geistigen 1970ern anfangen zu twittern. "Nie wieder ärgern über Rotweinflecken, endlich wird mein Leben so viel einfacher!" - bitte nicht.  Das ist weder amüsant, noch lebensnah und authentisch schon mal gar nicht.

Influencer-Marketing und die Crux des Authentischen

Ganz am Rande ist dies auch der Grund, warum Influencer-Marketing so leicht unerträglich werden kann. Schöne Menschen sind schön, aber wenn sie sich eine Waschmittel-Flasche unter der Arm klemmen beim Chillen, dann wird es albern.

Eine wunderbare Parodie betreibt dazu übrigens Joan Hoban auf ihrem Instagram-Account. Das Narrativ ist das wohlbekannte: Produkte beheben Probleme des Alltags und wollen zugleich Lektionen bieten, die das Leben dramatisch verbessern. Auf Social Media wird nun aber endgültig klar, dass das nicht mehr trägt:

Zusammenfassung

Das Figurenuniversum, die Fiktionalität sowie die Notwendigkeit einer äußeren UND inneren Reise machen die Heldenreise für Social-Media nur bedingt geeignet. Jedes Produkt braucht ein reales Problem - dieses darf die Figur jedoch nicht von hinten bis vorne definieren.

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