Ich komme gerade frisch aus dem Urlaub. Das schreibe ich nicht um beneidet zu werden, sondern um von meinen Urlaubslektüren zu berichten. Diesen Sommer nahm ich Abschied von seichten Romanen. Diesen Sommer beschäftigte ich mich mit Sprache, Frames und ihrer Macht. Vor allem im politischen Diskurs.

Sagt ein Bild mehr oder doch das Wort?
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es. Nach meinen Sommerlektüren sage ich: Ein Wort schafft mehr als tausend Bilder! An dieser Erkenntnis sind George Lakoff und Elisabeth Wehling mit ihren Büchern „Politisches Framing“ (Elisabeth Wehling, Herbert von Halem Verlag) und „Auf leisen Sohlen ins Gehirn: Politische Sprache und ihre heimliche Macht“ (George Lakoff und Elisabeth Wehling, Carl Auer Verlag) schuld.
Das klingt jetzt alles voll geheimdienstmäßig. Man erwartet, dass ich die Bücher von einem Mann im Trenchcoat in einer verlassenen dunklen Ecke erstanden habe. Alles voll aufregend. Aber tatsächlich erwarb ich die Bücher im Buchladen meines Vertrauens. Gar nicht so aufregend. Die Inhalte sind dafür umso aufregender, wenn auch keine Geheimnisse gelüftet werden. Vielmehr erklären sie Abläufe der Sprache, über die wir uns im Alltag nicht bewusst Gedanken machen. Sie haben aber unser Handeln und Denken fest im Griff.
Sprache schafft Realitäten
Wörter sind Schall und Rauch? Falsch. GANZ FALSCH. Vor allem in der politischen Landschaft wird Sprache und ihre Macht, zumeist von progressiver Seite laut Elisabeth Wehling, nach wie vor stark unterschätzt.
Immer wenn unser Gehirn ein Wort verarbeitet, aktiviert es dazu Wissen aus vorangegangenen Erfahrungen mit der Welt. Dazu zählen Bewegungsabläufe, Gefühle, taktile Wahrnehmung, Gerüche, Geschmäcker, usw. Das Gesagte oder Gelesene wird in unserem Gehirn simuliert, um zu verstehen. Aber nicht nur das: Es werden eine ganze Reihe anderer Konzepte aktiviert, die unsere Wahrnehmung verändern, aber auch unser Handeln beherrschen. Das bewirken sogenannte Frames, also Deutungsrahmen.
Jedes Wort aktiviert einen Frame, deshalb kommuniziert man mit jedem Wort eine ganze Fülle von Ideen. Vor allem im politischen Diskurs geht es darum, mit Frames seine Wertvorstellungen zu verdeutlichen. Fakten erhalten erst durch Frames ihre Bedeutung.
Beispiele für Frames, die politisch genutzt werden
Flüchtlingswelle, Flüchtlingsstrom, Flüchtlingskrise, Flüchtlingsflut, Asyltourismus, Steuerlast, Zwangsmitgliedschaft, Mietadel, (…). Der Frame gibt vor wie wir über eine Sache denken und welche Maßnahmen wir ergreifen werden. Am besten funktionieren Frames wenn dabei auf konkret erlebte Erfahrungen und körperliche Empfindungen zurückgegriffen wird. Das funktioniert bei den oben genannten Wörtern außerordentlich gut.
Was bei all diesen Beispielen auch auffällt: Frames werden vor allem von konservativer Seite verwendet und verstanden. Warum? Zum Einen, da sich konservative Kräfte, vor allem ab den 1970er Jahren in den USA, dem Thema angenommen haben. Es wurde sehr viel Geld investiert und eigene Think-Tanks geschaffen. Sie hatten die letzten Jahrzehnte freie Bahn ihre eigenen Wertvorstellungen zu denen der Leute zu machen. Sie haben begriffen, dass Menschen nicht rational entscheiden, sondern Werte über Entscheidungen bestimmen.
Progressive Gruppen hingegen versuchen stets so sachlich wie möglich ihre Weltvorstellungen zu transportieren. Das funktioniert aber nicht, da die Begriffe zu abstrakt und nicht greifbar sind. Ihre Sprache übermittelt oftmals keine Werte oder schafft keine Sprachbilder oder bedient Metaphern, über die wir uns verständigen.
Metaphern sind mehr als rhetorische Stilmittel
George Lakoff ist der Ansicht, dass alle Menschen in Metaphern denken. Bewusst passiert das nicht, da wir die Metaphern oft gar nicht als solche wahrnehmen. Es ist aber essentiell in welchen Metaphern man denkt und welche rhetorisch genutzt werden – sie unterliegen immer einem Denkmodell. Oftmals begehen Progressive, laut Lakoff, den Fehler solche Metaphern zu verwenden, die sogar konservative Vorstellung der Gesellschaft entsprechen. Ziemlich widersprüchlich also! Beispiel gefällig? Wenn Progressive von „Steuererleichterung“ sprechen, implizieren sie, dass Steuern etwas Schlechtes sind, da sie eine Last darstellen von denen die BürgerInnen befreit werden müssen. Das entspricht aber nichtmal ihrer eigenen Weltanschauung, in der Steuern als ein solidarischer Beitrag gesehen werden, die der Allgemeinheit nutzen.
Fazit zu den Büchern und warum du sie lesen solltest
Beide Bücher sind nicht wissenschaftlich geschrieben und sind somit leicht verdaulich. Man hat sehr viele Aha-Momente. Man braucht kein spezielles politisches Know-How, um den beiden folgen zu können – und auch keine linguistischen Vorkenntnisse.
Die Erkenntnisse aus den Büchern lassen sich überall dort einsetzen, wo Menschen versuchen zu kommunizieren. Sei es im Radio, Fernsehen, auf einer Werbetafel oder digital im Netz. Man verliert sich in den Büchern und hat das Gefühl danach die Welt ein Stück weit besser zu verstehen. Absolute Leseempfehlung! Nicht nur die Bücher, sondern auch die Twitter-Channel leg ich dir ans Herz:
https://twitter.com/E_Wehling
https://twitter.com/GeorgeLakoff
Hast du die Bücher auch gelesen? Oder hast du Leseempfehlungen an uns? Dann immer her damit an!
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