Dan Harmons Erzählkreis

Geschätzte Lesezeit 9 Minuten

In der Welt des Geschichtenerzählens gibt es wenige Konzepte, die so zeitlos und universell sind wie die Heldenreise. Doch während die Heldenreise für viele als komplexes Modell mit zahlreichen Stufen und Nuancen gilt, hat Dan Harmon, der kreative Kopf hinter Serien wie "Community" oder "Rick and Morty", diese Idee weiterentwickelt und in ein systematisches, 8-Punkte-Modell umgewandelt: Dan Harmons Erzählkreis.

Dieser Kreis dient als Blaupause der Heldenreise und richtet sich an moderne Geschichtenerzähler:innen, die nach einer gestrafften Methode suchen, um packende und emotionale Geschichten zu schreiben.

Doch was macht den Erzählkreis so besonders, und wie unterscheidet er sich von der traditionellen Heldenreise? In den folgenden Abschnitten werden wir uns näher mit den einzelnen Schritten dieses Erzählkreises beschäftigen und untersuchen, wie sie dazu beitragen, packende und relevante Geschichten zu erzählen.

Die Heldenreise

Die Heldenreise, ursprünglich von Joseph Campbell wissenschaftlich beschrieben, ist ein erzählerisches Grundmuster, das den Weg des Helden durch verschiedene Phasen begleitet. Dieses Modell wurde entwickelt, um die universellen Muster und Strukturen in den Mythen und Erzählungen verschiedener Kulturen aufzuzeigen. Analysieren nicht Neu erfinden:

  1. Die gewöhnliche Welt: Der Held wird in seiner alltäglichen Umgebung vorgestellt, wo er sich mit aktuellen Problemen oder Unzufriedenheiten konfrontiert sieht.
  2. Der Ruf des Abenteuers: Der Held wird mit einer Herausforderung oder einem Abenteuer konfrontiert.
  3. Weigerung des Rufs: Aus Angst oder Unsicherheit lehnt der Held den Ruf zunächst ab.
  4. Treffen mit dem Mentor: Der Held trifft auf eine Figur, die ihm Ratschläge gibt, ihn trainiert oder ihm ein Werkzeug oder eine besondere Fähigkeit gibt.
  5. Überschreiten der ersten Schwelle: Der Held verlässt die gewohnte Welt und tritt in eine neue, unbekannte Welt ein.
  6. Prüfungen, Verbündete, Feinde: In der unbekannten Welt begegnet der Held neuen Herausforderungen und Hindernissen und findet Verbündete und Feinde.
  7. Annäherung an die innerste Höhle: Der Held nähert sich der Hauptkrise der Geschichte, wo er sich der größten Herausforderung oder dem Hauptkonflikt stellen muss.
  8. Die Ordeal (Prüfung): Der Held muss sich einer schweren Prüfung oder einem großen Konflikt stellen, oft mit dem Tod konfrontiert.
  9. Der Schatz (Belohnung): Nachdem er die Herausforderung gemeistert hat, erhält der Held eine Belohnung.
  10. Die Straße zurück: Der Held muss sich entscheiden, in die gewohnte Welt zurückzukehren.
  11. Wiederauferstehung: Eine letzte Prüfung, wo der Held eine Transformation oder Läuterung durchmacht.
  12. Rückkehr mit dem Elixier: Der Held kehrt in die gewohnte Welt zurück, bringt aber eine Veränderung, ein neues Wissen oder einen Schatz mit, der die Anfangssituation verbessert oder verändert.

Durch den Einsatz dieses Schemas lassen sich Geschichten kreieren, die tief in der menschlichen Psyche verwurzelt sind und demnach starke emotionale Reaktionen beim Publikum hervorrufen. Doch trotz ihrer Einflusskraft und Beliebtheit ist die Heldenreise nicht ohne Kritik.

Einige Kritiker:innen finden sie zu formelhaft und starr, wodurch die Kreativität eingeschränkt werden könnte. Andere bemängeln, dass die Heldenreise sich zu sehr auf männlich zentrierte Narrative konzentriert und damit ein veraltetes Weltbild wiedergibt.

Während die Heldenreise zweifellos ihre Berechtigung hat, zeigt sich in der aktuellen Medienlandschaft ein Bedürfnis nach vielfältigeren und flexibleren erzählerischen Ansätzen. Die vielen Schritte passen zwar sehr gut für Fabeln und Legenden, bei einem Social Media Posting sind diese aber de facto Overkill. Genau hier kommen schlankere Modelle wie die Pixarmethode (Once upon a time there was ___. Every day, ___. One day ___. Because of that ___. Because of that ___. Because of that___. Until finally ___.) oder eben Dan Harmons Erzählkreis ins Spiel.

Wenn du mehr über die Heldenreise erfahren möchtest, lies gerne unseren Blog zum Thema Heldenreise.

Dan Harmons Erzählkreis

Der kreative Kopf Dan Harmon, hat diesen Ansatz entwickelt, um seine oft übertriebenen Geschichten in einer Form zu erzählen, die das Publikum fesseln und gleichzeitig den typischen Formeln entsprechen.

Dan Harmons Erzählkreis besteht aus acht Phasen, die den Weg des Protagonisten von einer komfortablen Ausgangssituation bis zur Konfrontation mit einem Problem und seiner anschließenden Rückkehr darstellen. Dabei schafft Harmons Ansatz eine Balance zwischen Struktur und Flexibilität, die es Autor:innen ermöglicht, kreative und dennoch kohärente Geschichten zu erzählen.

Was ihn besonders auszeichnet, ist seine Eignung für verschiedene Erzählformate – von TV-Serien bis zu Kurzgeschichten. Selbst für journalistische Texte ist er geeignet, wie Fritz Schumann eindrucksvoll zeigt.

Die Erzählformel

Dan Harmon selbst hat die Formel für seinen Erzählkreis stark vereinfacht. Aus seiner ursprünglichen Formulierung:

"A character is in a zone of comfort, but they want something. They enter an unfamiliar situation, adapt to it, get what they wanted, pay a heavy price for it, then return to their familiar situation, having changed."

wurde:

"When you have a need, you go somewhere, search for it, find it, take it, then return and change things."

und letztlich:

"You, Need, Go, Search, Find, Take, Return, CHANGE"

1. You

Ein Protagonist in einer Zone des Komforts: Der Ausgangspunkt jeder Geschichte. Wir werden dem Hauptcharakter in seiner gewohnten Umgebung oder in einem Zustand vorgestellt, in dem er sich wohlfühlt.

2. Need

Aber der Protagonist will etwas: Es gibt ein Bedürfnis oder einen Wunsch, der den Protagonisten aus seiner Komfortzone treibt. Dies kann ein äußeres oder inneres Verlangen sein.

3. Go

Los geht's in eine unbekannte Situation: Dies ist der Beginn der Reise oder des Abenteuers. Der Protagonist betritt eine neue, oft gefährliche oder herausfordernde Welt.

4. Search

Sucht nach einer Lösung: In dieser neuen Welt wird der Protagonist mit Problemen, Gegnern oder Hindernissen konfrontiert und muss nach Wegen suchen, sie zu überwinden.

5. Find

Finden und ergreifen: Nach einigen Schwierigkeiten oder nach dem Erreichen eines Tiefpunkts findet der Protagonist, was er sucht, oder erkennt eine Wahrheit und ergreift sie.

6. Take

Zahle den Preis dafür: Dies ist oft ein Punkt der Selbsterkenntnis. Der Protagonist erkennt die Konsequenzen seines Handelns oder die Kosten seines Erfolgs.

7. Return

Zurück in die ursprüngliche Situation: Mit den neu gewonnenen Erkenntnissen oder Fähigkeiten kehrt der Protagonist zu seinem ursprünglichen Ausgangspunkt zurück.

8. Change

Verändern und wachsen: Die Geschichte endet mit einem veränderten Protagonisten, der durch seine Reise gereift oder auf andere Weise transformiert wurde.

Wie kann man Dan Harmons Erzählkreis in der digitalen Kommunikation verwenden?

Websites und Social Media-Plattformen sind nicht mehr nur Informationskanäle; sie sind Bühnen für Geschichten, die Marken und Nutzer:innen miteinander verbinden oder wie man es aus allen Ecken schallen hört: „Storytelling is Key!“.

Den Begriff User Journey kennst du sicher. Eine User Journey beschreibt z. B. den Weg, von dem „Ich will, dass meine User:innen durch meine Website gehen“. Wenn ich diesen Weg aber nicht willkürlich bestimme, sondern anhand von Dan Harmons Erzählkreis gestalte, kann ich dadurch eine Geschichte erzählen und der Weg wird für meine User:innen spannender.

Websites

Websites sind heute oft das Erste, was Kund:innen oder Interessent:innen von einer Marke sehen. Die Anwendung von Dan Harmons Erzählkreis auf die Struktur und den Inhalt von Websites kann zu einem viel einprägsameren Benutzererlebnis führen.

Als Beispiel können wir wieder unser fiktives Unternehmen ZuckerWhat heranziehen, das zuckerfreie Zuckerwatte herstellt.

1. You – Startseite als Spiegel:

Die Startseite einer Website, die Dan Harmons Erzählkreis folgt, stellt oft eine Art Spiegel dar. Dort erkennen sich unser:e User:innen selbst wieder, finden Interessen und andere Dinge, die sie als ansprechend empfinden und mit denen sie sich identifizieren. Um herauszufinden, welche Dinge das sind, verwenden wir im datenwerk meist eine weitere Methode: Die Persona.

Angenommen wir wissen aus unserer Persona-Analyse, dass unsere Zielgruppe Männer ab 30 Jahren sind, die auf ihre Figur und Gesundheit achten, aber dennoch auf ihren Lieblingsgenuss aus der Kindheit – Zuckerwatte – nicht verzichten möchten.

Wichtig ist, dass sich diese Personen auf unserer Startseite wiederfinden. Das betrifft die gesamte Gestaltung – Design, Farben, Schriften, Fotos und natürlich auch die Texte.

2. Need – das Bedürfnis:

Nicht nur sich selbst zu erkennen ist wichtig, sondern auch die eigenen Bedürfnisse müssen gespiegelt werden. In unserem Fall: Die Männer möchten naschen, ohne zu viel Zucker zu sich zu nehmen. ZuckerWhat zeigt ihnen, dass dieses Bedürfnis genau das ist, das durch ZuckerWhat gestillt werden kann.

Die User:innen fühlen sich erkannt, verstanden und schon kommt er zum Einsatz: Der „Call-to-Action“ (CTA). Er verleitet Besucher:innen, ein wenig tiefer in die Website einzutauchen und die Reise zu starten.

3. Go – Start der Reise:

Mit dem Klick auf den CTA startet die Reise nun so richtig. Hier hat das Unternehmen die Möglichkeit, User:innen das Produkt genauer vorzustellen. In unserem Fall ist das die zuckerfreie Zuckerwatte von ZuckerWhat.

Spannende Blogartikel, Produktseiten oder auch Dienstleistungen können an dieser Stelle vorgestellt werden.

4. Search – Informationen anbieten

User:innen sind noch unsicher, ob das Produkt oder die Dienstleistung ihr Problem wirklich lösen kann. Sie suchen nach mehr Informationen zum Thema. Das können z. B. Schulungen, FAQs oder Demonstrationsvideos sein.

In unserem Fall gibt es ausführliche FAQs auf der ZuckerWhat-Website, die die häufigsten Fragen beantworten und Sorgen ausräumen. Auch die Möglichkeit, mit Kundenbetreuer:innen in Kontakt zu treten, gibt es. Und natürlich kann man als Neukund:in ein Einsteigerpaket bestellen, extra günstig – zum Probieren.

5. Find – Erhalt des Gewünschten

Endlich ist es so weit, User:innen erhalten das, wonach sie gesucht haben. Sei es nun ein bestimmtes Produkt, eine Dienstleistung oder eine wertvolle Information.

In unserem Fall hat sich ein User dazu entschlossen, das Einsteigerpaket zu bestellen. Es ist genau das, was er sich vorgestellt hat und er erhofft sich, nun endlich ohne Schuldgefühle naschen zu können.

6. Take – Bezahlung des Preises

Jetzt ist eine Handlung nötig, die ein gewisses Maß an Engagement oder Investition erfordert. Das kann der Kauf eines Produktes sein oder das Abonnement eines Newsletters.

Bei ZuckerWhat hat sich unser User für das Einsteigerpaket entschieden. Damit er dieses erhält, muss er einen Kaufvorgang abschließen und Geld bezahlen. Wäre er nicht bereits am Produkt interessiert und auch emotional investiert, würde er diesen Preis nicht bezahlen wollen.

7. Return – Zurück in den Alltag

Nach der Bestellung, bzw. nachdem User:innen das bekommen haben, was sie wollten, werden sie meist zurück zur Startseite oder einem anderen vertrauten Abschnitt der Website geführt. Meist mit einem Dankeschön, oder einer Aufforderung, in Kontakt zu bleiben.

Unser ZuckerWhat Kunde hat seine Bestellung abgeschlossen. Er freut sich auf die ZuckerWhatte, die bald bei ihm vor der Tür stehen wird. Oh was ist das? Ob er Lust hat sich zum ZuckerWhat Newsletter anzumelden, um immer auf dem Laufenden zu bleiben, was die neuesten Geschmacksrichtungen angeht? Warum nicht!

8. Change

Um die Veränderung zu zeigen, die durch das Produkt oder die Dienstleistung ausgelöst wird, kann man Testimonials einsetzen oder Erfolgsbeschichten und Fallstudien präsentieren.

Auch neuere Kund:innen können Testimonials werden: Unser ZuckerWhat Kunde ist begeistert von seiner neuen dunkelblauen ZuckerWhatte in der Geschmacksrichtung "Cool Fresh Arctic"? Wenn wir ihn dazu motivieren können, seine Begeisterung mit anderen zu teilen, z. B. mittels einer Bewertung, oder indem er das Produkt Freund:innen weiterempfiehlt, wird er zum Testimonial von ZuckerWhat.

Social Media

Auch auf Social Media kann Dan Harmons Erzählkreis zum Einsatz kommen. Hier ist es aber meist kein einzelner großer Erzählkreis, sondern viele kleine, durchaus auch ineinander verschachtelte Kreise.

Wenn eine Geschichte vollständig ist, muss sie übrigens nicht immer am Anfang begonnen werden. Das beweisen Regisseure wie Quentin Tarantino in "Pulp Fiction".

Oft unterstützt Social Media den Erzählkreis, den wir vorhin für die Webseite dargestellt haben. In den ersten Phasen des Kreises, wo auf das Produkt aufmerksam gemacht wird und nach Information gesucht wird, kann Social Media stark unterstützen. Organische Postings, Social Ads, Influencermarketing – die Möglichkeiten sind schier endlos.

Auch das Einsetzen von Testimonials ist auf Social Media sehr interessant. Einerseits können Influencer:innen, ihre ehrliche Meinung über das Produkt abgeben und unsere Zielgruppe davon überzeugen. Andererseits können unsere Kund:innen selbst auch auf Social Media über das Produkt sprechen und Freund:innen und Familie davon begeistern.

Übrigens ist das Modell von Dan Harmons Erzählkreis kompatibel mit Trichtermodellen. Zum Beispiel mit dem Google Funnel "See, Think, Do, Care" – du musst also nicht auf altbekannte Favoriten verzichten.

Vollständige Abwicklung über Social Media

Natürlich gibt es auch Social Media Auftritte, bei denen die gesamte User Journey über Social Media verläuft. Shopify Integrationen auf Instagram und Co. machen es möglich. Aber auch dann ähnelt der Weg dem mit dem Kauf auf einer Website, den wir oben beschrieben haben.

Fazit

Egal, ob Journalismus, Social Media oder die eigene Website – Geschichten kann man überall erzählen. Mithilfe Dan Harmons Erzählkreis geht das umso einfacher. Wenn du dir immer noch nicht sicher bist, wie du diese Methode selbst einsetzen kannst, oder wissen willst, wie du deine eigenen Plattformen nach dieser Methode am besten optimierst, schreib' uns gerne!

Alexandra Posch
Alexandra Posch

Alex brennt für Social Media Kommunikation, Foto- und Videobearbeitung. Wenn sie sich nicht gerade um die Online Communities und Social Media Auftritte unserer Kund:innen kümmert, schreibt sie hier über die besten Tipps & Tricks rund um Social Media und Contenterstellung.